SCHEISSEN TAG
einen jandl theatern
eine Produktion des klagenfurter ensemble
sommerlied
wir sind die menschen auf den wiesen
bald sind wir die menschen unter den wiesen
und werden wiesen, und werden wald
das wird ein heiterer landaufenthalt
1958 schrieb das Mitglied der Darmstädter Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Literaturkritiker, Übersetzer, Herausgeber und Cheflektor Walter Boehlich, namens des Suhrkamp Verlages an Ernst Jandl: „Wir erlauben uns, Ihnen Ihre Gedichte wieder zurückzuschicken, da wir uns außer Stande sehen, in diesen puren Wortspielereien irgend einen lyrischen Gehalt zu entdecken. Man kann vieles als Gedicht bezeichnen, diese Stücke aber ganz gewiss nicht“.
Und acht Jahre später lehnte Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld die Publikation der Gedichte Jandls mit dem Hinweis ab, Jandl sei „der traurige Fall eines Lyrikers ohne eigene Sprache“. 1984 sitzt Unseld (unmittelbar neben seiner Suhrkamp-Autorin Friederike Mayröcker) in der ersten Reihe der Frankfurter Poetik-Vorlesungen. Auf dem Podium Jandl: „Ja, ich bin ein Lyriker ohne eigene Sprache, denn diese Sprache, die deutsche, wie jede andere übrigens, gehört nicht dem Lyriker, nicht dem Dichter, nicht dem Schriftsteller, sondern allen, die in dieser und jener, jeglicher, Sprache leben.“
Alt-Wiener Futoper
Arzt:
Das Hymen soll zerrissen werden,
die Eichel nicht zerbissen werden.
Schülern:
Nein, mein Hymen mag ich nicht,
bitte perforiere mich !
Chor:
Samen wird geschluckt
oder ausgespuckt.
Lehrerin:
Seid artig und ich zeige
euch heute meine Feige.
Chor:
Hat auch Christus so geschmeckt
fragt die Nonne wenn sie leckt.
Lehrerin:
Seid heute lieb und gut,
dann zeig ich euch die Fut.
Chor:
Der Vater spritzt am weitesten,
der Lehrer am gescheitesten.
Lehrer:
Ob Mädchen oder Junge,
mein Schwanz mag jede Zunge.
Schülerin:
Ich mag das dicke runde,
von ihm in meinem Munde.
Chor:
Wenn er ihm nicht richtig steht,
lecken alles bis es geht.
Dirigent:
Eurer Lied hat mir gefallen,
Jetzt dürft ihr mit der Feige knallen!
( Plopp) (Plopp)
Berühmt wurde Ernst Jandl (1925-2000) mit seinen Laut- und Sprechgedichten. Als genialer Auftrittskünstler brachte er das Publikum zum Lachen und Nachdenken, manchmal zum Toben. Er überschritt die Grenzen zwischen Poesie, Performance, Musik und bildender Kunst und bewegte sich souverän im Feld der internationalen Avantgarde. Seine Texte verbinden Witz mit existenziellem Ernst, Lust an der Sprache mit politischem Engagement. Jandl begeistert – fast wie ein Popstar – ein breites Publikum über Generationen und Sprachgrenzen hinweg. Er war stets auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, schrieb Gedichte in Alltagssprache, experimentelle Prosa, Hörspiele, Theaterstücke, Film-Drehbücher und sogar ein Ballett. Er übersetzte Texte von Avantgarde-Künstlern wie Gertrude Stein und John Cage. Über Jahrzehnte arbeitete der leidenschaftliche Jazzfan mit Musikerinnen und Musikern zusammen, seine Literatur ist mit Musik aufs engste verbunden, Jandls Stimme „gleicht mehreren noch zu erfindenden Instrumenten“ (Jürg Laederach).
wien: heldenplatz
der glanze heldenplatz zirka
versaggerte in maschenhaftem männchenmeere
drunter auch frauen die ans maskelknie
zu heften heftig sich versuchten, hoffensdick.
und brüllzten wesentlich.
verwogener stirnscheitelunterschwang
nach nöten nördlich, kechelte
mit zu-nummernder aufs bluten feilzer stimme
hinsensend sämmertliche eigenwäscher.
pirsch!
döppelte der gottelbock von Sa-Atz zu Sa-Atz
mit hünig sprenkem stimmstummel.
balzerig würmelte es im männechensee
und den weibern ward so pfingstig ums heil
zumahn: wenn ein knie-ender sie hirschelte.
„Meine These“, sagt Ernst Jandl, „ist, daß ich mit der Sprache anfangen kann, was ich will. Alles, was die Sprache mit sich anfangen läßt“. In seinen Frankfurter Poetik-Vorlesungen erläutert er Methode und Ziel seines dichterischen Arbeitens. „Das Röcheln der Mona Lisa“, Titel eines berühmten Hörspieles von Jandl und Mayröcker, ist programmatisch für Jandls künstlerisches Selbstverständnis: es ist das „Verröcheln“ des Bennschen Schönheitskultes. „Aber zu welchem Zweck soll das Schöne zerstört werden? Gewiß doch zum Zweck der Erreichung von Kunst“. Die wieder in eigenes Recht gesetzte Sprache, Laute, die dem Körper zurückgegeben, der Stimme des Lesenden unterstellt werden – all das ist für Ernst Jandl im Gegensatz zu einigen seiner KollegInnen wie Rühm oder H.C. Artmann nicht sich selbst genügende, gewissermaßen schon per se aufklärerische Spielerei. Dadaismus, konkrete Poesie, Phonologie und Morphologie der Linguistik, all das macht Jandl in vollendeter Form seinem eigentlichen Ansinnen dienstbar: „Die Veränderungen der Sprache bedeuten Veränderungen der Weltinterpretation“, sagt Heissenbüttel. Oder, mit Jandls eigenen Worten zu reden: „Das Material ist dasselbe, aber die Gewöhnung daran muß aufhören, alle Gewöhnung daran muß aufhören, wo Poesie beginnen soll“.
ErnstJandl (1925-2000) ist einer der originellsten Lyriker der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Seine Gedichte sind in zahlreichen Schulbüchern, Anthologien, Deutsch als Fremdsprache-Lehrbüchern, Kalendern, Almanachen, ja sogar in Predigtanleitungen für Priester verbreitet. Bereits im Juni 1965 erregte der zu diesem Zeitpunkt kaum bekannte Dichter bei einer Gruppenlesung in der Londoner Royal Albert Hall vor 4000 Zuhörern großes Aufsehen. Wie wenige andere erweiterte Ernst Jandl das Verständnisterrain für Formen nicht herkömmlicher Lyrik. Sein Werk – neben den Gedichten Hörspiele, Theatertexte und Essays – gehört nicht nur zum literarischen Kanon, sondern dessen Sprachvielfalt hat auch Eingang in die Alltagskultur gefunden.
Als Ernst Jandl in den 1940er Jahren zu schreiben begann, bedeutete dies den Beginn einer künstlerischen Auseinandersetzung mit seinem katholischen Elternhaus, dem Nationalsozialismus und der restaurativen kulturellen Atmosphäre in Österreich während der Nachkriegszeit. Er orientierte sich an verschütteten Traditionen avantgardistischer Literatur, an Gertrude Stein und Kurt Schwitters, aber auch an der Lyrik Bertolt Brechts. Zwischen dem Erscheinen des ersten Gedichtbandes Andere Augen (1956), der noch Gedichte in realistischem Ton enthält, und der berühmten zweiten Buchveröffentlichung Laut und Luise (1966), die die damals weithin unbekannten Spielarten experimenteller Poesie vorführte – visuelle Gedichte, Sprechgedichte, Lautgedichte, Dialektgedichte –, vollzog sich Jandls Kampf um Anerkennung als Autor und eine ständige Erweiterung der sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten. Mit jedem seiner folgenden Gedichtbände gewann Ernst Jandl lyrisches Neuland – von den Gedichten in „heruntergekommener“ Sprache bis zu seiner Alterslyrik, die Krankheit, körperlichen Verfall und „hohe“ Themen zu Gedichten verarbeitet, die in ihrer Radikalität ihresgleichen suchen.
Im persönlichen Habitus entsprach Jandl kaum dem Bild des Künstlers als Bohemien. Nach der Reifeprüfung wurde er im August 1943 zum Militärdienst eingezogen und lief 1945 an der Westfront zu den Amerikanern über. Zurückgekehrt nach Wien studierte er Germanistik und Anglistik und war mit Unterbrechungen bis 1979 als Gymnasiallehrer in Wien tätig; daneben war er Gründungsmitglied und langjähriger Generalsekretär der Grazer Autorenversammlung. Die Position Ernst Jandls im literarischen Feld wurde einerseits durch seine Beziehungen zu den Avantgardekünstlern der „Wiener Gruppe“ (Konrad Bayer, Gerhard Rühm, Oswald Wiener, H.C.Artmann, Friedrich Achleitner) und zur internationalen Avantgarde bestimmt, wobei Jandl stets völlig autonome Wege ging; andererseits war die jahrzehntelange Ausübung eines bürgerlichen Berufs als Lehrer an einem Gymnasium prägend. Die lebenslange Partnerschaft mit der Dichterin Friederike Mayröcker ist das Modell eines „Schreiblebens“, in dessen Vollzug Werk und Leben eine unauflösliche Einheit bilden. Im Stück Aus der Fremde wird dieser Zusammenhang thematisiert und zugleich ästhetisch verfremdet.
Das Nebeneinander von Ordnung und Anarchie ist konstituierend für Werk und Person Ernst Jandls. Er schien gespalten in den Dichter auf der einen und in den Lehrer und „Buchhalter“ auf der anderen Seite. Die Biographie wird die Dialektik von Avantgarde und Konvention, von strenger formaler Ordnung und Aufbrechen der Form auf verschiedenen Ebenen nachzeichnen. So kommt der enge Zusammenhang von Leben, Werk und kulturellem Feld ins Blickfeld: Die Kategorie des „religiösen“ Gedichtes etwa, das sich in großer Variationsbreite durch das gesamte Werk zieht, ist im Kontext der katholischen Sozialisation Ernst Jandls, in Bezug auf die Entwicklung der literarischen Formensprache innerhalb des Werkes sowie im Hinblick auf das Verhältnis von Stimme und Schrift zu untersuchen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem „englischen“ Jandl: Ernst Jandl arbeitete in der amerikanischen Kriegsgefangenschaft als Dolmetscher; als Student und Englischlehrer, als Übersetzer von Gertrude Stein, John Cage und Robert Creeley und durch seine Zusammenarbeit mit Künstlern wie Ian Hamilton Finlay war er in vielfältiger Weise mit dem englischsprachigen Kulturraum verbunden. Hierher gehört auch die lebenslange Begeisterung für die englische und amerikanische Populärkultur; und nicht zuletzt ist eine Reihe von Gedichten auf Englisch geschrieben.
Die Biographie stellt Ernst Jandl in das Spannungsfeld seiner verschiedenen Funktionen als Schriftsteller, Lehrer, Übersetzer und Literaturpolitiker. Sie kann sich dabei auf die reichhaltigen Materialien im Ernst Jandl-Nachlass an der Österreichischen Nationalbibliothek stützen. Jandls Wirkungsgeschichte, die eng an seine physische Präsenz als Vortragskünstler gebunden ist, ist im Kontext einer widersprüchlichen Geschichte der Befreiung von familiären, gesellschaftlichen und künstlerischen Begrenzungen zu sehen.
Quelle: Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Theorie der Biographie
SCHEISSEN TAG – ein jandl theatern
verwendete gedichte, texte, und teile aus dramatischem von ernst jandl:
(aus dem wirklichen leben: vortrag)
(Aus der Fremde, 1.Szene, auszüge)
(Aus der Fremde, 2.Szene, auszüge)
(aus der fremde, 3. szene, auszüge)
siblewski S.15 (16.7.97)
(siblewski S.15)
(lechts und rinks, aus: die prophezeihung des tischlers)
(lechts und rinks, aus doktorengedichte)
(lechts und rinks, wien: heldenplatz)
(lechts und rinks , S.15)
(lechts und rinks: botanischer garten, wien)
(lechts und rinks, schtzngrmm)
(lechts und rinks, lebensbeschreibung)
(lechts und rinks s.41)
(lechts und rinks, the flag)
(lechts und rinks s.44)
(lechts und rinks, lichtung)
(lechts und rinks, zur existenz)
(lechts und rinks, nasal)
(lechts und rinks, klos)
(lechts und rinks, von zeiten)
(siblewski S.15ff)
(siblewski, s.69 vom 12.11.1998)
(peter und die kuh: die humanisten 2, aus 3,4)
(siblewski, s.19, aus anruf vom 21.12.97)
(siblewski, s.20, 23.12.97)
(siblewski, s. 30, 22.9.98, 2.anruf)
(siblewski, s.69 vom 12.11.1998)
(siblewski, s.51, 7.10.1998
(Aus 4.Anruf)
(siblewski, s.54, 12.10.1998)
(lechts und rinks, wir alle…)
(aus: aus dem wirklichen leben, autobiogr.ansätze)
(aus den 30er jahren)
(der gelbe hund: keine enttäuschung, bloß eine berichtigung)
(die seele)
(aus dem wirklichen leben, zweierlei handzeichen)
(mit der eisenbahn)
(aus dem wirklichen leben, autobiographische ansätze)
(der gelbe hund, mahlzeit)
(die mütze, von medizinen)
(aus dem wirklichen leben, visite)
(dingfest, sommerlied)
(dingfest; gasthaus)
(dingfest, besuch aus england)
(dingfest, aus haiku in wien)
(aus dem wirklichen leben, aus: biographische notiz)
(idyllen stanzen: älterndes paar – ein oratorium)
(peter und die kuh, s.29)
(aus dem wirklichen leben, ottos mops)
(flöda und der schwan, fünfter sein)
(peter und die kuh, die kreuzigung)
(aus dem wirklichen leben, tohuwabohu)
(idyllen stanzen, mit engeln)
(letzte gedichte, widmungsgedicht)
(idyllen stanzen, s.151)
(laut und luise, bist eulen?)
ein faulsein
die tassen
dreiundzwanzigster wiener gemeindebezirk
kleines geriatrisches manifest
Rüdiger Hentzschel – Regie und Textzusammenstellung
Schauspielausbildung am Max Reinhardt Seminar in Wien. Engagements an der Württembergischen Landesbühne Esslingen; in Wien: Volkstheater, Schauspielhaus, Theater in der Josefstadt, Theater der Jugend, Theater Gruppe 80, Festspiele Reichenau. In zahlreichen Film und Fernsehproduktionen zu sehen. Ab 1995 Inszenierungen wie: Das Land wo Milch und Honig fließen im Theater Drachengasse Wien, Elena und Robert sowie die Nächte der Schwestern Brontë im Rabenhof und Drei Schwestern von Anton Tschechow; weiters einige Produktionen für Wien ist andersrum, Villa Valium, Drinking again beim Europride Festival Wien 2001. Zusammenarbeit mit TzF als Regisseur in Oleanna sowie als Schauspieler in Die letzten Tage der Menschheit.